Geotop des Jahres 2017: Blei- und Silberbergwerk Marie in der Kohlbach

Jährlich wird bundesweit das Geotop des Jahres ausgezeichnet, 2017 erhielt diese Auszeichnung des UNESCO-Geo-Naturpark die AG Altbergbau Odenwald als eine Art Ritterschlag für die geologisch-touristische Attraktion Besucherbergwerk „Marie in der Kohlbach“ im Wald bei Hohensachsen (Weinheim).

Als mer in de Schuul noch Platt schwätze durft...

1958 brachte der Hessische Rundfunk eine Hörfunksendung (Fernsehen hatte da noch fast niemand) mit Kindern aus Lindenfels. Die Kinder mit ihrem Lehrer Philipp Bickelhaupt sangen Lieder zum Osterfest. Der Sprecher ließ sich von den Kindern einiges über das Osterfest und die Bräuche, die damit zusammengingen, erklären.

Und völlig unverfälscht sprachen die Kinder, heute alle um die 65 Jahre alt, breiten Odenwälder Dialekt - in der Schule und im Radio. Von Nestern aus Moos, einem Hasengärtchen und dem Nebel über Waldwiesen erzähen sie. Das ist gar kein Nebel, sondern Rauch aus der Werkstatt der Osterhasen. Es müssen nämlich soviele Ostereier bemalt werden, das kann unmöglich nur ein einziger Osterhase schaffen. Seine ganze Familie hat viel zu tun vor Ostern. Man darf ihnen aber nicht zu nahe kommen, sonst sind sie schwupps verschwunden.

"Woher weißte’n des?" fragt eines der Kinder den Sprecher. Der erzählt weiter: Glück und ein gutes Herz für die Tiere muß man haben, dann darf man vielleicht sogar mit in die Osterwerkstatt und alle Geheimnisse erfahren. Aber wer schon dort war, darf niemandem etwas verraten. Ein Häschen habe ihm aber erzählt, daß die Leute im Odenwald immer sehr hilfsbereit und nett sind.

Die Kinder bauten einen Hasenwagen aus Zweigen, der mit Moos gepolstert wird. Der Wagen hat „koa Räädschen“ und den Brauch gab es schon 1500, denn er ist auf einem Bildnis von Lucas Cranach zu sehen. Wagen ohne Räder, Schlitten also, gibt es schon in der Bronzezeit, und wer weiß - vielleicht ist der Brauch des Ostereiersuchens auch schon so alt. Die Kinder suchten Hoasebabbelchen (Waldsimse, auch Hoasebrot genannt) und Moos für den Hasenwagen. Sie glaubten daß der Osterhase das Hoasebabbelchen besonders gern mag.

Aber leider wußten die Kinder auch 1958 schon, wo die Ostereier wirklich herkommen. Färben, mit Speckschwarte einreiben, all das machte die Mutter heimlich - aber eben nicht heimlich genug:

»De Ouschdehaas, des konn uns kaaner weißmache, isch waaß was isch waaß.
Des Hinkel is de Haas, die Modder is de Färweschwanz (Färberschwanz) die läigt die Aaie in die Pann, läigt se dann ins griine Gras un säigt es wär de Ouschdehaas.«

oder wenn die Kinder dem Osterhas „guck dort dort hinten rennt er“ ganz schnell Salz auf den Schwanz streuen sollten, weil er dann stehen bleiben muß:

„Ewwe kriggd häww isch en nie. In dere Zeit wou isch em nochgerennd bin hott die Modder schnell die Aaie ins Gras gläigt.“

Gefärbt hat die Modder die Eier mit Zwiebelschalen (rotbraun), mit Brennessel (gelb), Brombeerblätter (gelbgrün), Korn- oder Grasspitzen (grün), Labkraut (rot). Labkraut heißt in Kreidach oder in Mittershausen auch Osterwurzel.

Die Originalsendung des Hessischen Rundfunks aus dem Jahr 1958 wurde von Fritz Ehmke aus Modautal restauriert und auf ein neues Medium gespeichert. Die CD ist bei ihm erhältlich:  www.gebabbel-suedhessen.de   Telefon 06254 2830

Lehrer Philipp Bickelhaupt schrieb das Manuskript für die Sendung, spielte Zither und übte die Osterlieder mit den Kindern ein. Marieta Hiller, April 2017

Spannendes über die Buche

Ein Kobold oder ein Stück Ast? Wer weiß...

Wenn Krieg vor der Tür steht, zieht im Odenwald das Wilde Heer...

„Komm, setze dich zu mir. Es ist ein schlimmer Abend heute. Aller Sommer ist tot. ... Der Herbst sickert durch alle Fugen, geängstigt keucht die Kerze, riesige Schatten flattern an den Wänden.“

So beginnt das Buch Rodenstein von Werner Bergengruen (1892-1964), der eine Zeit seines Lebens in Lindenfels verbrachte und Odenwälder Sagen - vor allem gruselige - sammelte. Der Rodensteiner und das Wilde Heer faszinierte ihn besonders. Wenn ein Krieg sich ankündigte, so hörte man früher in der Nacht, als die Stuben noch von Kien und Kerzenlicht erhellt wurden, das Wilde Heer vom Schnellerts durch den Haalhof ziehen. Heute ruht im Wald zwischen Nieder- und Oberkainsbach still die Ruine der Schnellertsburg, und auf dem Haalhof rasseln allenfalls Kühe mit Ketten.

Ellen Schmid - ein Odenwälder Menschenleben für die Literatur

Wie eine Kindheit und Jugend in einem Odenwalddorf früher aussah, liest sich amüsant in Ellen Schmids Büchlein „mit Blumenkranz und Petticoat“, erschienen im Wellhöfer Verlag Mannheim 2011, ISBN 978-3-939540-84-7. Geboren wurde Ellen Schmid 1943 in Brensbach, während auf Darmstadt ein Tieffliegerangriff stattfand. Spannend wie es begann ging ihr Leben weiter: „zu keiner Zeit“, so schreibt sie in ihrer Einleitung, „haben sich das Leben auf dem Lande und das äußere Erscheinungsbild der Dörfer so stark verändert wie in den Jahren nach 1945 bis Anfang der Siebziger.“

Die Lauterquelle

Zwölf Dörfer bilden die Gemeinde Lautertal, vier von ihnen liegen auch im Lautertal. Das Flüßchen selbst entspringt auf der Neunkircher Höhe auf 540m über NN, also 65 Meter unter dem höchsten Punkt der Höhe. Ihre Quelle wurde in Schmiedeeisen gefaßt und liegt in der Nähe des Hexensteines. Da die Quelle jedoch nicht (mehr) ganzjährig Wasser spendet, kann man auch das Sumpfgebiet etwas weiter unten in der Nähe der Allmeihütte als Lauterquellen bezeichnen.

Die Neunkircher Höhe

Wie sah die Neunkircher Höhe und der Wald zwischen Gadernheim und Neunkirchen im Lauf der Jahrhunderte aus?

Die Neunkircher Höhe wird im Lorscher Kodex in der Markbeschreibung von Heppenheim aus dem Jahr 773 als Wintercasto bezeichnet: nach ihrem einstigen Namen Windherrenhöhe erhielt das Dorf Winterkasten seinen Namen. Der Höhenrücken bildet die Wasserscheide zwischen Lauter, Modau und Gersprenz.

Die Lauter: von der Quelle auf 540m Höhe bis zur Mündung bei Gernsheim am Rhein 31 Kilometer lang - lesen Sie dazu auch: Die Lauterquelle und  Die Lauter: Naturidyll und Industriefluß in meinen Jahrbüchern: Das Durchblick-Jahrbuch: Spinnstubb 2.0, sie sind deshalb online nicht zu finden.

Was alte Fachwerkhäuser zu erzählen haben

Feuerspindel schützt Fachwerk vor Feuer...

Wer in einem Fachwerkhaus lebt, fürchtet vieles: vor allem aber Feuer. Und so ritzte man Schutzzeichen in die Balken, schnitzte in die Eck- und Stützpfosten Schlangen oder Neidköpfe. Die Ecken der Stockwerke oder die Giebel konnten mit dem „Wilden Mann“ gefüllt  werden, Gefache wurden mit Streben in Form des Fünfkreuzes, auch  Bauerntanz oder Türkenkreuz genannt, verziert. Oder auch mit dem gespiegelten U, dessen Form an einen Sitz erinnert, Zeichen für Muße. Zugleich ist es ein Feuerschutz, es stellt die Form der Trageisen zum Feuerholztragen dar. Das Andreaskreuz als Mehrungszeichen ist oftmals unter dem Schlafzimmerfenster zu finden.

Als Feuerschutz galt auch die Feuerspindel, das verzierte S. Auch wenn es in Deutschland noch über 2 Millionen Fachwerkhäuser gibt, gehen doch jährlich hundert verloren, wenn auch nicht alle durch Feuer.

Fachwerkbauweise gibt es seit der Jungsteinzeit, aber wo steht das älteste erhaltene Fachwerkhaus Deutschlands? In Marburg gibt es eines aus dem Jahr 1321, in Limburg gar von 1289. In Esslingen aber gibt es in der Heugasse ein Fachwerkhaus aus dem Jahre 1261. Fachwerkhäuser haben Türschwellen, sie werden wie in der modernen Fertigbauweise aus Rahmen gebaut. Diese Rahmen liegen pro Stockwerk übereinander, deshalb ragen die oberen Geschosse über die unteren in die Straße hinein als neigten sich die Häuser einander zu.

Stockwerk heißt es, weil der Zimmermann mit dem Bauherrn gemeinsam das Stockmaß festgelegt hat, darauf basiert der Aufbau des Rahmenwerks. Zimmerleute wurden übrigens nach Tagwerk bezahlt, Steinmetze nach Stückwerk. Die Abbundzeichen der Zimmerleute im Holz lassen wie bei den Steinmetzzeichen die Reise des jeweiligen Handwerkers von Ort zu Ort nachvollziehen.

Das Holz des Fachwerkrahmens hatte die Stockwerke und den Dachstuhl mit der Deckung zu tragen, plus das Gewicht von Schnee und Wind. Das Holz wurde nur im Winter nach Mondphase gefällt, im Frühjahr gesichtet und dann gleich verbaut. Im Wald wählten Bauherr und Zimmermann die Stämme aus; es gab jedoch immer weniger Eiche, so daß man nur noch die Wetterseite aus Eiche zimmerte und für den Rest auch Nadelholz verwendete.

Bei einer Fachwerkführung in Mosbach (www.mosbach.de) erfährt man, daß in einem einzigen Haus 14 verschiedene Holzarten verbaut sein können, alle frisch und nicht abgelagert. Der Rauch konservierte das Holz und reinigte zugleich die Luft. Ein winziges Fachwerkhaus steht übrigens auch in Mosbach: Haus Kickelhain mit 26 Quadratmetern Grundfläche.

Handwerkerlöhne und Baukosten in früherer Zeit

50 Kreuzer Lohn bekam 1803 ein Zimmermann am Tag. Vier Kreuzer waren ein Batzen, 60 Kreuzer ein Gulden. Laut einer Breuberger Quelle war im Jahr 1807 ein Gulden knapp 13 Euro wert. Der Zimmermann bekam also pro Arbeitstag knapp 11 Euro.

Ein Handlanger im Bauhandwerk verdiente damals 12 Groschen pro Tag (1 Groschen = 3 Kreuzer, ein Kind arbeitete für 1 Groschen. Den Mönchen ging es zu dieser Zeit gerade noch gut, denn sie erhielten den Tagelohn der Bauhandlanger plus 2,3 ltr. Wein pro Tag! Doch 1803 wurden die Klöster aufgelöst, ihr Vermögen der weltlichen Politik zugeschlagen, außer den erforderlichen Budgets für Seelsorge, Caritas und Unterricht.

In der Folge verkauften die säkularisierten (verweltlichten) Klöster ihr „Tafelsilber“: 1850 wurde die Bibliothek des Klosters Schönau für 6000 Gulden an einen Miltenberger Kaufmann verkauft, aus dem Verkauf der Gutenbergbibel konnte das Kloster Melk in Österreich das komplette Dach neu decken lassen.

 

Die Neumühle in Brandau

Seit der Mensch seßhaft wurde und das Feuer nutzbar machte, kann er auch Brot backen.

Das Mehl dazu wurde damals wie heute aus Getreidekörnern gemahlen, und aus einfachen Handmühlen mit zwei Steinen entwickelte sich die allererste Form des Maschinenbaues: die Mühle. Noch heute zeigt Logo der Maschinenbauer ein Getrieberad, wie es in einer Mühle zur Übertragung der Kraft vom Mühlrad oder den Windflügeln auf das Mahlwerk erforderlich ist. Entlang der Modau gab es von der Neunkircher Höhe bis nach Eberstadt und Pfungstadt bis nach dem 2. Weltkrieg etwa 40 Wassermühlen, die höchstgelegene ist die Neumühle in Brandau.

Ostereier färben mit Naturfarben

Rotkohl, Tee und Läuse

Zwiebelschalen sind die bekanntesten Farbgeber für traditionell gefärbte Ostereier, auch Rotkohl und Tee sowie die Koschenille-Laus, bekannt von Schminkfarben, ergeben hübsche Farbschattierungen. Von Pink über Blau bis Braun, marmoriert oder mit Zitronensaft beschrieben... Zum Färben mit Zwiebelschalen kocht man die Eier mit etwa zwei Handvoll Schalen in drei Litern Wasser auf und läßt sie dann je nach gewünschter Farbe zwischen 30 und 60 Minuten ziehen. Die Eier werden gelb, bordeaux oder braun.

Erdbeben im Odenwald - zwar häufig, aber nicht allzu stark

Warum bebt immer wieder die Erde im Odenwald? Bei ihrem Vortrag über Erdbeben im Odenwald erläuterte dies Dr. Jutta Weber vom Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald.

Erst am 14. März 2015 gab es wieder ein Beben, auch an Ostern wackelte die Erde. Ein Jahr zuvor, Ende März 2014, gab es das bisher auf der nach oben offenen Richterskala höchste Beben mit Stärke 4,2. Dies ist eher schwach.

Wie man sich früher wohnlich einrichtete

In manchen alten Bauernhäusern, in der Stadt auch - sehr selten! - in historischen Wohnhäusern, entdeckt man zuweilen als unterste Schicht auf dem Wandputz schablonierte Malereien. Diese kunstvollen Wanddekorationen schufen sich die Bewohner in früheren Zeiten, als Tapeten noch etwas für Fürstenhäuser waren.

 

Regionalmuseum Reichelsheim: Malerutensilien

 

Die Wände der Wohnung wurden früher meist mit Musterwalzen verziert, die die Farbe direkt auf den Putz brachten. Erst mit dem Wirtschaftswunder konnten sich die Leute Tapeten leisten, und die Putzkunst geriet in Vergessenheit. Aber in den letzten Jahren kommen kunstvolle Wanddekorationen mit Musterschablonen, Musterwalzen, Schwämmen und Stempeln wieder in Mode, lassen sie doch viel mehr Raum für Kreativität als die schreiend-bunten Tapeten.

Am Anfang war der Stempel. Kinder kennen den Kartoffeldruck, man schnitzt sich eine Form aus einer rohen Kartoffel, die in Farbe getunkt und auf die zu dekorierende Fläche gedrückt wird. Das wirkt auf jeden Fall sehr abwechslungsreich, denn nicht ein Stempelabrdruck gleicht dem anderen aufs Haar.

Regionalmuseum Reichelsheim: Schablonen

 

Aus dem Stempel wurde ein Rollstempel, der über die Fläche gerollt werden konnte und das Muster so in Bahnen vervielfältigte. Die Rollstempel entwickelten sich zu den verschiedenartigsten Musterwalzen. Um eine gleichmäßigere Farbverteilung beim Rollen zu erzielen, bekamen die Walzen integrierte Farbspender, die ein Farbbad füllen, durch das die Walze bei jeder Bewegung fährt. Über ein System aus drei Walzen wird die Farbe aus dem Farbbad auf eine Übertragungswalze gebracht, die wiederum die Musterwalze einfärbt. Später wurde der Farbkasten zusätzlich beweglich angebracht, so daß er bei jeder Bewegung der Musterwalze automatisch senkrecht hing und keine Farbe herauslaufen konnte. Wahre Könner unter den Malern konnten allerdings auch mit dem früheren starren Farbkasten klecksfrei arbeiten.

Als Farbe wurde Leimfarbe verwendet. Diese läßt sich sehr viel klarer aufmustern, da moderne Dispersionsfarben sich am Rand der Musterwalze anlagert und ein unscharfes Musterbild ergibt. Auch läßt sich das Gerät bei Verwendung von Leimfarbe leichter reinigen. Die Farben wurden aus Trockenfarben wie Kreide oder Farbpigmenten mit Wasser teigig gerührt. Wichtig ist daß alle Pulverknöllchen sich auflösen. Danach wird dem dicken Farb-Wasserteig der Leim hinzugegeben, bis eine schöne glatte anschmiegsame Paste entsteht. Als Leim verwendete man Zelluloseleim in einem Verhältnis von 1:25, da man einen fertigen Farbansatz zwar jederzeit verdünnen kann, aber zum Dickermachen wieder Farbe zugesetzt werden muß, so daß man am Ende viel zuviel Farbe erhält.

Auf den Wandputz, der in erster Linie das Baumaterial glatt verdecken soll und zusätzlich auch für Wärmedämmung sorgt, trug man dann zunächst die Grundfarbe auf, die der Raum bekommen sollte. Ist diese trocken, steht dem kreativen Dekorationsvorgang mit der Musterwalze nichts mehr im Wege. Die Kunst besteht darin, die Rolle gleichmäßig von der Decke bis zum Boden zu führen und rechts oder links davon genau die passende Ansatzstelle für die nächste Bahn zu treffen. Bei Hobbydekorateuren kann es deshalb vorkommen, daß ein und derselbe Raum drei Überstriche erhält, bis das Bemustern richtig sitzt. Der Profi machts aus dem Handgelenk.

Ein hübscher Nebeneffekt des Musterrollens ist, daß man mit der Musterwalze nicht bis zur Decke und zum Boden mustern kann. So ist man gezwungen einen umlaufenden Fries zu gestalten, der den Übergang zwischen Decke und Wand dekorativ betont oder auch kaschiert, je nach Geschmack. Der Übergang zwischen Wand und Boden mußte sowieso durch eine hölzerne Lamperie abgedeckt werden, unter der die Kabel verliefen. Beim Abschrauben solcher alten Lamperien (Bodenleisten) entdeckt man viel Interessantes: alte Münzen und Haarnadeln, längst Verlorengeglaubtes, Staubmäuse und zuweilen auch Mäuseknoddelchen.

 

Auch dekorativer Wandputz wurde früher für Innenräume eingesetzt, wo man auf die kunstvolle Malerei verzichten wollte. Im Marmoritwerk in Hochstädten wurde von 1865 bis 2008 Edelputze hergestellt. Der Marmor dafür wurde im Bergbau auf dem Gelände zwischen Bangertshöhe, Hochstädten und Fürstenlager gewonnen und in Hochstädten gemahlen, zu Kalk gebrannt und zu verschiedenen Produkten verarbeitet. Niemand in Hochstädten beklagte sich über die Staubentwicklung, denn der ganze Ort lebte vom Betrieb, ähnlich wie es in Lautern war als die Ciba Geigy Marienberg GmbH (die "Blaufabrik") noch produzierte.

Das "Auerbacher Weiß" war eines der bekannten Fabrikate aus Hochstädten, es wurde für die Betonwerksteinproduktion und in Trinkwasserentsäuerungsanlagen verwendet.

1982 verkaufte der langjährige Firmenchef Dr. Karl Linck im Alter von 78 Jahren das Marmoritwerk an Fa. Knauf GmbH, es wurde noch ein paar Jahre weiter produziert, aber man mußte bereits Marmor aus dem italienischen Carrara importieren, um in Hochstädten Edelputze, Unterputz, Strukturputz, Wärmeschutzputz, Dichtschlämme, Mörtel, Isoliergrund und vieles mehr herstellen zu können. 2008 wurde die Produktion eingestellt und die Betriebsgebäude wurden abgerissen. Sehr schade ist vor allem, daß das Verwaltungsgebäude mit wunderschönen Putzdekorationen in Schutt und Asche aufging. Eine Vorstellung, wie kunstvoll die Fassade einst von Grafiker Reinhold Schön entworfen und von Stukkateur Wilhelm Groen aus Hochstädten realisiert worden war, kann man aber noch heute bekommen, wenn man sich die Königshalle in Lorsch anschaut. Ihre karolingische Fassade diente als Vorbild für den Grafiker. Das Hochstädter Wappen zeigt seit 2007 Schlägel und Eisen, die traditionellen Bergbauwerkzeuge, 143 Jahre lang währte die Bergbauperiode.

Marieta Hiller, Januar 2015

Über einen Ausflug in das Bergwerk in Hochstädten, dessen Eingang heute unzugänglich unter Erdreich verborgen liegt und dessen Stollen voller Grundwasser stehen, finden Sie hier Fotos und Infos!

Literatur zum Marmoritwerk Hochstädten: "Der Bergbau auf Marmor bei Bensheim-Auerbach und Hochstädten" von Michael Vettel ISBN 978-3-926707-15-4, bitte bei Ihrem Buchhändler vor Ort bestellen, nicht über den großen Internetversandhandel. Warum? Lesen Sie hier!

Beedenkirchen: Ein roter Schrank für Bücher

Vor der Pfarrscheuer in Beedenkirchen:

neu ist er und ganz rot ist er. Schon den ganzen Winter über steht er in der Ecke des Wartehäuschens im Pfarrhof von Beedenkirchen und füllte sich peu à peu mit Büchern. Er wünscht sich aber einen ganz vollen Bauch - mit ganz vielen Büchern - dicke oder dünne, alte oder neue, gelesene oder nicht gelesene, für Kinder oder für Erwachsene, und … und … und. Die Menschen sollen seine Tür öffnen, hineinlegen, was sie übrig haben und rausnehmen, was sie interessiert. Sie können die gelesenen Bücher behalten oder wieder zurückstellen, oder ein andres dafür reinstellen. Nur eins noch: Von Pornos und rechtsradikalem (Lese-)Futter wird ihm schlecht, das spuckt er wieder aus. Hochoffiziell wurde der rote Bücherschrank mit Buchstaben zum Trinken und Essen eingeweiht nach dem Gemeindegottesdienst am 9. Februar 2014.