Aus dem fernen Buchhändlerfresserland

In einem Land weit weit weg, wo die Büttel des Königs keine Steuern eintreiben konnten...
Aber nicht vor langer langer Zeit, sondern genau heutzutage

Ein "Realchen" von Marieta Hiller

Nun, so setzt euch zu mir, ich will euch eine Geschichte erzählen. Welche Lehre ihr daraus zieht, müßt ihr selbst entscheiden. In jenem fernen fernen Land, dessen Name nach Abenteuer, Urwald und Piraten klingt, da lebt ein Flußmonster mit vielen Köpfen, und wann immer ein mutiger Held zu den Ufern seines Heimatstromes aufbrach und ihm einen oder zwei Köpfe abschlug, so wuchsen sofort doppelt so viele nach.

Ein Brief aus dem Zauberwald

2009 schrieb Kobold Kieselbart diesen Brief:

Liebe Koboldfreunde, Heute ist nun Heilig Abend und dann ist Weihnachten, und auch wir Kobolde haben nun bald alle Arbeit geschafft. Was heute kaum noch jemand weiß: in früheren Zeiten lebten wir Kobolde als Hausgeister. Wir ließen es uns wohl ergehen in den gemütlichen alten Bauernhäusern, und die Hausfrau war stets darauf bedacht, am Abend einen Topf mit Milch oder Suppe ohne Deckel auf dem Herd stehen zu lassen. Dies war die Speisung der Kobolde. Zum Dank sorgten wir dafür, daß im Hause alles in Glück, Wohlstand und Gesundheit lebte. Wehe aber, die Hausfrau deckte alle Töpfe zu! Dann schepperte es nachts fürchterlich, und wir Kobolde hatten am nächsten Tag schlechte Laune. Was zu einigen unschönen Szenen und Schabernäcken geführt haben soll ...

Das geheimnisvolle Kästchen

Einst vor vielen vielen Sommern lebte im Odenwald ein armer Köhlerssohn, dem die Lust am Kohlenmeilerbewachen abhanden gekommen war. Ja eigentlich ist noch nicht einmal sicher, ob er dazu überhaupt je Lust gehabt hatte. Jedenfalls schnürte er eines schönen Tages im Spätsommer sein Ränzlein, nahm den dicken Wanderknüppel des alten Köhlers und drückte seiner Mutter zum Abschied einen dicken Kuß auf die Wange, bevor er sich auf Wanderschaft begab.

Der große Glaubensstreit im Zauberwald

Dicke Luft herrschte einst beim Kleinen Volk im Zauberwald: „Der liebe Gott ist ein Eichhörnchen!“ riefen die Mooswichtel. „Er sieht von oben alles!“ und drücken dabei ihre goldene Nuß an die Lippen. Allerdings waren sie sich da nicht ganz einig: die Mooswichtel der Nadelwälder glaubten an das schwarze Eichhörnchen, die Mooswichtel der Laubwälder an das rote. Das konnte nicht gut gehen.

Da ließen sich auch schon die Zwerge vernehmen: „der liebe Gott ist ein kleiner gelber Vogel!“ Dazu muß man wissen, daß die Zwerge tief unten im Bergwerk ihre Erze abbauen, wo es immer finster ist und böse Wetter herrschen können.

Der König und der Hofnarr

Ein Märchen für Große und Kleine

In einem Land weit hinter den tiefen Wäldern, verborgen zwischen den Hügeln, da gab es ein kleines friedliches Königreich. Die Sonne schien, und der König war zufrieden. Seine Hofbediensteten und seine Untertanen freuten sich am Sonnenschein, und auch sie waren zufrieden, selbst wenn es einmal regnete.

Da kam eines Tages auf einem buntscheckigen Pferd ein seltsamer Mann dahergeritten. Er wolle den König sprechen, und er ließ nicht ab von seinem Wunsch, bis daß die Torwachen ihn endlich einließen. Am dritten Tag ließ ihn der König vor seinen Thron treten und fragte ihn nach seinem Begehr. „Ihr habt keinen Hofnarren! Wißt ihr denn nicht, daß jeder König von Format einen solchen unabdingbar braucht? Ich biete Euch untertänigst meine Dienste an, und ihr werdet bald schon sehen, daß es sich mit Hofnarr um vieles komfortabler regiert!“

Wo einst die Menschen herkamen und wer das verzapft hat...

Wo einst die Menschen herkamen und wer das verzapft hat...

Kobold Kieselbart berichtet aus uralten Zeiten, als es noch keine Menschen auf der Erde gab - wohl aber ein Gebirge im Odenwald, und eine seltsame Spur, die nach Afrika führt... Die Geburtszeit unserer Heimatgebirge liegt im Zechstein. Da gab es ein ganz besonderes Erz. Ihr nennt das was wir 'den blaugrauen Eisenhärter' nennen, Zechstein-Mangan-Erz. Inzwischen habt sogar ihr Menschen herausgefunden, daß man damit besten Stahl herstellen kann. Es ist genau zu jener Zeit entstanden wie unsere Gebirge.

Der salomonische Spruch des Osterdrachen

Vor vielen Jahren, am Abend des Gründonnerstag, bei Vollmond, erzählte ich dieses Märchen auf der Burg Lindenfels. Dazu habe ich ein altes Märchen aus Niederdeutschland umgedichtet:

Es trug sich aber vor vielen vielen Jahrhunderten zu - auf einer Burg aus guten harten Steinen, in deren Hof eine alte Linde stand. Viel hatte die Linde schon gesehen in ihrem Leben, und viel könnte sie uns heute erzählen - wenn es sie noch gäbe... Doch ach, schon lange steht sie nicht mehr. Selbst die Großmutter konnte sich nur noch ganz schwach an Frühlingstage der Kinderzeit erinnern, als das Sonnenlicht zwischen den hellgrünen Blättern flirrend umherirrte. Stünde sie noch, so könnte die Linde uns diese Geschichte selbst erzählen. So aber muß ich ein bißchen aushelfen.

Wer die Weidekätzchen wirklich sind...

Vor langer langer Zeit, an einem Ort gerade so wie hier oder auch ganz wo anders, da lebte in einem Wald auf dem Hügel ein armer Korbflechter. Mühselig hatte er im Herbst, kaum daß die Blätter gefallen waren, tagein tagaus seine frischgeschnittenen Weidenruten vom Bach hinauf in seine Hütte geschleppt, wo er des Abends mit Frau und Kindern Körbe flocht. Alle mußten helfen: die Kinder mußten die Ruten schälen, die Frau holte in schweren Eimern das Wasser zum Einweichen herbei. Nur den Korbmacherhobel, sein kostbarstes Werkzeug, durfte nur der Vater benutzen. Die dicken Ruten mußten gespalten werden, und für ganz feine Körbe wurden Späne aus ihnen gezogen. Wenn es Frühling wurde, dann zog die ganze Familie, über und über beladen mit Körben, zum Markt hinunter in die große Stadt.

Mohn macht dumm! Weit gefehlt...

Also, das ist ja das Dümmste was ich je gehört habe, daß Mohn dumm machen soll. Und ich muß es wissen, hab ich doch neulich erst in einer Bauernküche ein Säcklein Mohnsamen gefunden und mitgenommen! Ja, stimmt schon – ich hab vergessen zu fragen. Aber es war ja auch niemand zuhause, und die Tür stand offen und das Fenster auch... Man muß ja so eine arme Räuberbraut und Köhlerstochter nicht um jeden Preis in Versuchung führen! Und ich schwör, ich hab sonst nichts mitgenommen. Der Mohn – hmmmm, der war lecker! In Milch gekocht und aus dem Dibbe gelöffelt, das war ein Genuß.

Ich weiß, ich hätts nicht nehmen sollen. Wo ich doch die Bauerntochter auch noch kenne! Es ist nämlich keine andere als die, die einstmals von einem König geheiratet wurde. Und das kam so – ihr wollts doch bestimmt wissen, ich sehs euch doch an! Rückt her ans Feuer und lauscht:

Die Bergwerksmaus

Es war einmal vor langer langer Zeit, als es noch keinen elektrischen Strom gab und die Häuser noch gemütliche Dachböden für ihre Hausgeister hatten.
Da lebte in einer ärmlichen Kate auf einer Waldlichtung ein armer Lohmüller in seiner Mühle. Es war Winter, und so schwieg die Mühle still, denn die Bauern brachten im Winter keine Rinde zum Klopfen.

Erst wenn die Säfte des Frühlings wieder in die Bäume stiegen, würde es wieder lebhaft werden im Wald. Dann kommen die Kinder, Frauen und Greise wieder zum Rindenschälen, liefern ihre Bündel in der Mühle ab, die dann die Gerberlohe daraus herausklopft. Klipp klapp, macht die Mühle dann, in jenen fernen Tagen, wenn die Schmetterlinge über bunte Blumenwiesen flattern und die Sonne warm vom Himmel scheint. Jetzt aber war Winter.

Was es mit der ordentlichen Weihnacht auf sich hat

 "Fast hätte es am Heiligen Abend im Zauberwald einen Aufstand gegeben:

zuerst kam ein sehr aufgebrachter St. Nikolaus angestampft, warf seinen Sack mit wütendem Schnauben auf den Waldboden und schimpfte: „Weihnachtsmänner aller Orten, nichts als alberne Weihnachtsmänner mit dämlichen Zipfelmützen, einer dämlicher als der andere! Den Nikolaus braucht heute wohl gar keiner mehr!“
Nur mühsam gelang es der alten Hutzel und den anderen Angehörigen des Kleinen Volkes mit viel Geduld und gutem Zureden, den Nikolaus etwas zu besänftigen.

Der Bücherwurm

Ein Märchen von Kobold Kieselbart für alle Leseratten

Also, eigentlich - eigentlich hab ich ja jetzt alle Hände voll zu tun! Dem Christkindchen helfen, sein Mehlweibchen, den Bohlischbock, die Stoppelgans, den Benznickel und all die andern vom Odenwälder Weihnachtszug wiederzufinden... Im Zauberwald dafür sorgen, daß alle genügend Vorräte für den Winter eingelagert haben (die Eichhörnchen sind mal wieder recht nachlässig gewesen, weil es ja sooo viele Bucheckern und Eicheln gibt), - wie gesagt, eigentlich hab ich keine Zeit. Und jetzt muß ich mich auch noch drum kümmern, daß die Bücher in dieser Bibliothek hier nicht weiter angefressen werden.

Aus dem Leben einer glücklichen Gans

Hallo! Kennt ihr eigentlich Gandalf den grauen Ganter?

Er lebt bei einem Menschen - ja, das gibt es wirklich! Ein Mensch, der Gänse liebt, aber nicht zum Fressen gern hat...
Aber hört selbst, was Gandalf euch zu sagen hat: „Wirklich wirklich, zu beneiden bin ich. Ich, Gandalf, liebe meinen Menschen, watschle ihm hinterher wo auch immer er hingeht, picke meine Körner mit ihm am Tisch und stecke meinen Kopf neben seinem Bett unter den Flügel, wenn es Abend wird.

Ihr glaubt das nicht? Von so etwas berichten schon die alten Griechen, lest nur mal euren Plinius! Niemals, niemals würde mein Mensch mich essen - oder eine meiner armen Gevatterinnen. Arm dran sind sie, die Gänse. Jetzt ist wieder die Zeit, wo all ihr Gezeter und Geschrei nichts mehr hilft - aufgegessen werden sie alle ohne Ausnahme! Schrecklich, schrecklich ist ihr Leben: eingepfercht in engen Käfigen ohne Bewegung, ohne Freiheit, ohne Fröhlichkeit müssen sie wachsen, wachsen, wachsen. Die Ärmsten bekommen davon Knochenbrüche und Atemnot, und die Gelenke tun ihnen weh.